Die wunderbare "TickTackTakTik" (im Literatur-Betrieb)
Edvard Munch, Selbstporträt |
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Und dann kommt also der große Tag, an dem Lars Dietrichs Buch das Licht der literarischen Welt erblickt. Die literarische Welt
dagegen, hat natürlich bereits Rezensionsexemplare an die Hand
bekommen und durch die Diskussion im World Wide Web längst
einen detaillierten Einblick in das Thema getan. Eben: "Im Namen der
Liebe". Aha, Soso, Oho! Da gibt es nicht mehr viel zu raunen und zu tuscheln, denn die Chose ist längst klar! Und Lars Dietrich bereits
ein Newcomer mit Star-Appeal! Und doch ist ein Buch eben ein
Buch und die Feuilletons schreiben erneut über die Neuerscheinung
eines Buches, auch wenn es zuvor schon als Blog besprochen
worden ist. Und die Feuilletons sind sich über das Buch so einig, wie
zuvor über den Blog: Das ist ein wichtiges Buch. Das ist ein mutiges
Buch. Ein Buch, in dem ein Mann über die Liebe, nicht theoretisch
bloß, sondern durch Selbstentblößung noch dazu, sehr einfühlsam schreibt. In diesem Buch zeigt ein Mann das verletzbare Bauchfell,
da springt ein Mann in die Presche, für all die anderen Männer, die
an der Liebe verzweifeln. In solchen Tagen wie Heute! In diesem
Buch, da weist ein Mann neue, mentale Wege auf, die es
ermöglichen, das Thema ins Objektive zu erheben. Das Buch befreit
den modernen Mann aus der unwürdigen Lage, in der er sich
befindet. Aus der Lage der Unterlegenheit, unter die Überlegenheit
heutiger Frauen, die sich als Allround-Genies gerieren! Nach diesem
Buch, können die Frauen endlich wieder aufschauen. Aufschauen
zum Mann und der Klarheit männlicher Gedanken. Aufschauen zu
Lars Dietrich! Und so jubelt die Presse! Ein wenig verfrüht. Denn
Manches wurde überlesen. Und Manches zu wenig hinterfragt. Die
Feuilletons haben ganz einfach Gerald Finkenstein noch nicht zu
dem Hokuspokus um „Im Namen der Liebe“ vernommen. Denn
Gerald Finkenstein beantwortete den Hype um den Blog bislang mit
Ignoranz. Und das mit Bedacht. Und das mit Absicht. Wie er nun,
also Heute, in seiner Kritik des Buches an den Anfang setzt. Und die
Kritik hat immerhin die Länge eines Leitartikels. Denn die Kritik ist
der Leitartikel des renommiertesten Feuilletons des Landes. „Als
Literatur-Kritiker sehe ich mich in der Pflicht, Literatur zu beurteilen.
Nicht-Literatur fällt nicht in meinen Aufgabenbereich“. Diese Sätze
bilden den Auftakt zu einer, für Lars Dietrich vernichtenden,
Stellungnahme zu Finkensteins bisherigem Stillschweigen. Nun aber
fühle er sich bemüßigt, „Im Namen der Liebe zur Literatur„, auch
etwas zu einem Machwerk zu sagen, auf das sich die LiteraturBranche ausschließlich deshalb begeistert stürzen würde, weil es
populistisch sei und deshalb marktorientiert Gelder aquirieren
könne. Die Literaturbranche kranke an ihrem mangelnden Mut zur
Qualität, weil Qualität angeblich nicht mehr kompatibel sei. Dass man nun das Internet auf Diskussions-Foren-taugliche Inhalte hin
durchsuchen würde, um Etwas herauszufischen, das mit Literatur
nichts zu tun habe, sei ein Skandal. Ein Skandal der Literatur-Szene.
Damit wolle er, Gerald Finkenstein, ausdrücklich Lars Dietrich nicht
in den Himmel des Skandal-Autoren befördern. Denn das stünde
dem Autor nicht zu, sich in solch einem Himmel zu tummeln. Lars
Dietrich müsse schlicht wieder als das gesehen werden, was er sei:
Ein, an der eigenen Liebesunfähigkeit, gescheiterter Mann, der
intelligent verpackt, Banalitäten als post-post-moderne Philosophie,
mit literarischem Appeal, an den Mann und an die Frau bringen
wolle. Resumee: Eine bildungsbürgerlich verpackte Eigentherapie,
mit dem Aufruf zur männlichen Egomanie, ergibt noch lange keine
Literatur! „ Ich appelliere an die Literatur-Macher dieses Landes:
Haben Sie endlich wieder Mut zur Literatur. Auch dann, wenn sie
sich nicht auszahlt!“ Und mit diesem Artikel des einflussreichsten
Literatur-Kritikers der deutschen Gegenwart, kommen in den
kommenden Tagen und Wochen in den Diskussions-Foren im
W.W.W. zahlreiche, zusätzliche Impulse durch kritische Stimmen
dazu. Mit anderen Worten: Lars Dietrich hat einen Bestseller
gelandet! Und Lars Dietrichs Verlag hat sich die Hände vor Freude
gerieben. Literarischer Wert hin oder literarischer Wert her. Aber an
jenem Tag, an dem das Buch von Lars Dietrich das Licht der Welt
erblickt hat, also zwei Jahre, drei Monate und eine Woche, nach
jenem Tag, an dem Luise Alles so satt gehabt hat, da erscheinen
nicht nur Buch und Finkenstein-Kritik in der Öffentlichkeit, nein, da
darf auch Lars Dietrich zum ersten Mal, im renommiertesten
Literatur-Salon Berlins, eine Lesung halten. Und die Luise überlegt
nicht lange und gönnt sich einen distanzierten Blick auf diese
Szenerie. Die Lesung hat bereits begonnen, Lars Dietrich rezitiert bei Kerzenschein, umgeben vom andächtigem Schweigen in sich
Versunkener, da schleicht sich die Luise ins Dunkel hinein und setzt
sich in die hinterste Reihe, auf einen der wenigen, frei gebliebenen
Plätze. Luise ist gerührt, als sie Lars Dietrich, sparsam gestikulierend
und mit angenehmen Bariton, auf der Bühne sein Buch präsentieren
sieht. Er liebt die Bühne! Denkt die Luise. Und nun hat er eine
Bühne! Aber ob das wirklich seine Bühne ist? Das fragt sie sich auch,
die Luise. Und schon schleicht sie sich auf Zehenspitzen wieder
hinaus, und nimmt einen dunklen Seitenausgang. Für einige
Sekunden ist ihr, als würde Lars Dietrich den Lesefluss
unterbrechen, als würde er stocken, weil er Luise bemerkt habe.
Und der Lars Dietrich hat tatsächlich für fünf Sekunden gedacht, sie
stünde direkt hinter ihm. Die Luise. Und er hat sich umgedreht. Der
Lars Dietrich. Aus diesem Impuls heraus. Um zu sehen, ob sie hinter
ihm steht. Die Luise. Doch da steht sie nicht. Und deshalb tut der
Lars Dietrich das, was von ihm erwartet wird. Er liest weiter.
2013
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