Leseprobe II (#BOOK!)
Jägerlein
@CC Und was treibt das Jägerlein, mit dem grünen Hut, im Wald allein?
Ist er auf der Jagd, so glühend, so tiefernst, so nach dem Blut lechzend, wie man sich das gemeinhin vorstellen mag? Nein, nein, unser Jäger, mit seinem Federlein an der Kopfbedeckung, streift behutsam durch Grün und Tannenwald, mal einem Duft, mal einem Geräusch oder einer Bewegung folgend, sich an der Eleganz der Hirsche und der Zartheit der Rehe erfreuend, sich ein andermal einfach in saftige Gräser bettend, an einem Grashalm kauend, mit den Augen die Himmelsfetzen durch Baumkronen verschlingend, gedanklich bereits wieder vor seiner Staffelei stehend. Unser Jägerlein ist kein todbringendes Monster, unser Jägerlein pfeift viel zu gerne heitere Liedchen, um wirklich Böses hinter seiner Stirn ausbrüten zu wollen. Unser Jägerlein schießt nur symbolisch, richtet wohl die Flinte auf das Herz eines grasenden Tiers, macht dann aber nur ein kindlich verspieltes „Puff“, mit seinen Lippen, in dessen Richtung und nimmt das Ganze als Erholung vom meditativen Stillstehen vor dem Bild oder gerne auch als Inspiration mit nach Hause. Unser Jägerlein ist weit davon entfernt, einen Gefallen daran zu finden, erlegtes Wild keuchend, schwitzend und fluchend den langen Weg durch das Dickicht auf dem Buckel zu schleppen oder später in Gedärmen und Organen herumzuschnipseln, um daraus einen Braten zu fertigen. „Ich bin nicht Benn“, sagt Golo gerne, wenn er als frauenverletzender Beutemacher bezeichnet wird. „Ich bin nicht dieser Gottfried, Gott habe ihn selig!“ Und mit diesen kryptischen Worten, verschwindet er alsbald hinter einem versonnenen Lächeln. Die Wölfin dürfte also aufatmen, wenn sie auf ihren Streifzügen durch ein Gestrüpp namens Twitter auf das Hobby-Jägerlein trifft, das eigentlich Golo Friedrichs heißt. Zu wenig erpicht ist dieser auf Scherereien, Anklagen, Vorwürfe und Schlimmeres. Seit er von Annalena getrennt ist, der Mutter seines Sohnes, gibt er sorgsam acht, dass kein Herz an ihm erneut leiden solle und das seinige gar nicht erst anfängt, mehr als leicht beschleunigt, durch den Anblick eines weiblichen Wesens, zu schlagen. Und doch ist der Mensch nur Mensch. Im dichten Wald zumindest steht nun die Wölfin, zitternd und doch bezaubert, vom Jäger mit dem grünen Hut, der wiederum, gebannt durch die Schönheit blaugrauer Augen, nicht von der Stelle kommt.
(S. 57)
Das liest sich so heiter dahin und lockt doch unmerklich in die poetische Tiefe des dunklen Waldes….
AntwortenLöschenDas ist sehr fein gesagt, herzlichst Merci! ("poetische Tiefe" des u. a. Twitter-Walds lässt mich sehr nachdenken ...)
LöschenGolo und Klara sind als Paar einzigartig in der Literatur. Danke für dieses Buch.
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